Sonntag, 19. Januar 2014

Geschenke

Teil 2
Die Suche

Schon früh am Morgen erwachte Lotte, weil sich ihr Körper noch immer so kribbelig anfühlte und sie ihn auf keinen Fall noch viel länger im Bett ruhig halten konnte. Weihnachten, das Fest der Liebe, aber auch der schönen Geschenke, konnte für ein fünfjähriges Mädchen schon sehr aufregend sein. Für heute hatte sich Lotte viel vorgenommen, denn ihre neue Puppe Josefine sollte ihr eine richtige Freundin sein, mit der sie viel Zeit verbringen wollte. Und deshalb würde Lotte sie neu frisieren, ihr ein anderes Kleidchen überziehen, um danach lange mit ihr zu spielen. Vielleicht hatte Ylvie Lust, gemeinsam mit Lotte und Finchen zu spielen? „Ich werde sie gleich danach fragen“, beschloss das Mädchen, wollte Josefine schnappen, doch sie konnte die neue Puppe nicht entdecken. Lotte schlug die schwere Bettdecke nach oben und tastete sich mit ihren kleinen Händen unter der Decke Zentimeter für Zentimeter nach vorn, aber unter der Bettdecke fand sie Josefine nicht. „Brummeli, hast du sie gesehen? Wir haben doch die Nacht alle zusammen hier im Bett gelegen.“ Brummeli antwortete nicht. Lotte legte sich auf ihren Bauch direkt vor das Bett und spähte darunter. Sie schob den Weidenkorb mit den bunten Gummibällen zur Seite, um auch den hinteren Teil des Bodens zu begutachten, aber hier fand sie Josefine nicht. „Brummeli, komm mit, wir müssen Josefine suchen. Sie kann doch nicht weg sein.“ Barfuß, nur mit einem Nachthemd bekleidet und den Bären unter dem rechten Oberarm geklemmt schritt Lotte zunächst ihr Zimmer ab. Sie stellte sich auf die Zehen, um durch die kleinen Luken des von Papa selbst gebauten Holzkleiderschrankes zu spähen, konnte jedoch nichts erkennen. Sie öffnete die ein bisschen quitschenden Türen und blickte etwas ratlos in das Innere. Dann wühlte sie die zahlreichen Söckchen und Strumpfhosen, die am Schrankboden sauber und ordentlich sortiert lagen, durcheinander. Josefine fand sie nicht.
Lotte rollte sich ihren gemütlichen Schreibtischstuhl vor den Schrank, kletterte mit Brummeli darauf und suchte mit ihren Augen den Schrank, der ziemlich staubig aussah, ab, doch statt ihrer Puppe entdeckte sie nur den rosafarbigen Ball, den sie schon sehr lange vermisste. Mit dem Zeigefinger der linken Hand konnte sie ihn zu sich rollen und auf den Boden fallen lassen. Lotte hockte sich neben den Ball und überlegte. „Gestern Abend noch lag Finchen in meinem Bett. Danach habe ich das Bett nicht mehr verlassen und Josefine vermutlich auch nicht. Es muss sie jemand in der Zeit, als ich geschlafen habe, geholt haben.“ Bei diesem Gedanken erschrak Lotte, weil sie es nicht mochte, nachts gestört zu werden. Leise auf Zehenspitzen schlich sie zu dem Zimmer ihrer älteren Schwester Ylvie, von der sie wusste, dass ihr Josefine gut gefallen hatte, denn nicht nur einmal hatte sie Lottes Puppe aufmerksam gemustert. Es schien Lotte also möglich, dass Ylvie sich Josefine sozusagen ausgeliehen hatte, um ihr vielleicht ihre kleinen und großen Sorgen mitzuteilen. Die Holzbodendielen knarksten unter Lottes Schritten, auch die Tür von Ylives Zimmer konnte Lotte nicht lautlos öffnen, obwohl sie sich alle Mühe gab. Doch Ylvie schlief um diese Uhrzeit noch tief und fest, sodass Lotte in aller Ruhe auf die Suche nach ihrer neuen Freundin gehen konnte, ohne bemerkt zu werden. Gründlich durchsuchte Lotte jede Ecke des Zimmers ihrer Schwester. Sie sah zuerst in Ylvies Bett, danach darunter, sie öffnete den Kleiderschrank, sah auf dem Schreibtisch nach, sie durchwühlte sogar Ylvies Schulranzen, aber Josefine konnte sie nicht finden.
Leise schlich sie wieder zur Tür, als Ylvie sich umdrehte und sie mit großen Augen ansah.
Was um alles in der Welt tust du denn da?“
Lotte erschrak und bekam einen roten Kopf. Den bekam sie immer, wenn sie etwas tat, von dem sie wusste, dass es nicht so richtig erlaubt war.

Ich, ich“, stotterte Lotte, doch ihr wollte nicht einfallen, was sie Ylvie sagen sollte. Und auf einmal, Lotte war selbst überrascht, fing das kleine Mädchen an zu weinen, zuerst waren es nur ein paar kleine Tränchen, die auf ihre Wangen tropften, doch nach kurzer Zeit schon begann sie laut zu weinen. Immer wieder musste sie die Tränen wegwischen, die Nase tropfte und Lotte stand gebeugt vor ihrer Schwester. Ylvie sprang aus dem warmen Bett, umarmte Lotte und führte sie behutsam unter ihre kuschelige Decke. „Du zitterst ja und hast eiskalte Füße. Wie lange bist du denn schon unterwegs? Und was ist überhaupt los?“ Ylvie, die Lotte ein Taschentuch reichte, sah ihre jüngere Schwester aufmerksam an, doch es dauerte noch eine Weile, bis Lotte wirklich sprechen und nicht nur schluchzen konnte. „Finchen ist verschwunden.“ Als Lotte diesen Satz ausgesprochen hatte, wurde sie noch einmal gerüttelt von einem lauten Weinkrampf. Es war fast so, als hätte sie erst jetzt, da sie die Worte über ihre Lippen gelassen hatte, richtig verstanden, dass ihre neue, schon so lieb gewordene Freundin wie vom Erdboden verschwunden war. Ylvie nahm Lotte in den Arm und drückte sie fest an sich. „Und Brummeli konnte deine Puppe auch nicht finden?“, wollte die große Schwester wissen und Lotte schüttelte noch immer weinend den Kopf. „Was haltet ihr zwei denn davon, wenn ich mit euch nach Josefine suche. Sie kann sich ja nicht in Luft aufgelöst haben, oder?“ Lotte sah ihre Schwester dankbar an und schlang ihre kleinen Arme um deren Hals, drückte ihr einen feuchten Kuss auf die Wange und nickte. „Aber zuerst, Lottchen, ziehen wir uns etwas an. Du hast ja noch immer eiskalte Füße.“

Sonntag, 5. Januar 2014

Diktat Klasse 6 - Schwerpunkt: Nominalisierungen von Verben und Adjektiven

Jedes Jahr aufs Neue

Die Adventszeit mag ich am liebsten, auch wenn es in dieser vorweihnachtlichen Zeit draußen sehr dunkel ist und man meist nicht im Freien spielen kann.
Das Schöne an der Vorweihnachtszeit sind die vielen Lichter in den Fenstern, vor den Häusern und an den Bäumen. Auf dem Marktplatz unserer Stadt steht jedes Jahr ein riesengroßer geschmückter Tannenbaum, an dem zahlreiche Kerzen brennen. Viele Menschen bewundern zum Weihnachtsmarkt das Leuchten und Glitzern sowohl des Baumes als auch der vielen Stände und Buden, an die man durch das Duften gezogen wird. Glühwein und Kinderpunsch, viel Gebasteltes, Bratwurst, Lebkuchenherzen und gebrannte Mandeln kann man kaufen.
Zu Hause beginnen wir mit dem Vorbereiten auf das Fest. Das Ausstechen und Backen der Plätzchen sowie das Schreiben des Wunschzettels gehören natürlich dazu.

129 Wörter

7 nominalisierte Verben, 4 nominalisierte Adjektive (davon 1 Partizip)


Häufige Fehlerquellen: meist, vorweihnachtliche Zeit, draußen, das Glitzern

Geschenke

Teil 1
Am Weihnachtsabend

Josefine hieß sie, die neue Puppe. Sie lag unterm Weihnachtsbaum und Lotte hatte sie gleich gesehen, als sie das festlich geschmückte Wohnzimmer an der Hand ihrer Mutter betrat.
Obwohl der hohe und weite Raum nach Zimt, Orange und Tannennadeln duftete, obwohl an den Wänden goldfarbige Lichter aus Glas hingen und obwohl leise, beruhigende Musik, wie von Engeln gesungen, ertönte, konnte man Josefine einfach nicht übersehen mit ihren langen, fransigen roten Haaren, ihrem freundlichen Lächeln und dem knallbunten Kleid, unter dem dünne, weiche Beine hervorsahen. Unruhig war Lotte vor dem Weihnachtsbaum in der Mitte des Wohnzimmers stehen geblieben. Ihr ganzer Körper kribbelte vor Aufregung und dem Wunsch, endlich die Geschenke zu erhalten. Während Lotte mit Mama und Papa sowie den älteren Geschwistern Emil und Ylvie die Weihnachtslieder sang, die wie in jedem Jahr von Papa auf dem Klavier begleitet wurden, konnte Lotte ihren Blick nicht von der hübschen Puppe lassen. Es schien ihr fast, als würde Josefine ihr zuzwinkern. Noch nie zuvor hatte Lotte so eine wunderschöne Puppe gesehen oder gar besessen. Bisher hatte sie ihren kuscheligen Stoffbären Brummeli gehabt, der sich wunderbar weich an ihren Körper schmiegte, wenn sie abends unter ihre Bettdecke schlüpfte. Ihm erzählte sie ihre Sorgen, er flüsterte Worte des Trostes, wenn sie sich mit ihren älteren Geschwistern Emil und Ylvie gestritten hatte und, und das war das Wunderbarste, diese Worte konnte nur sie, Lotte, verstehen.
Doch nun bekam sie eine Puppe und das war etwas ganz Anderes als ein Bär! Mit einer Puppe konnte man auch kuscheln, sie konnte trösten, man konnte ihr die Sorgen erzählen, natürlich, aber, und das machte sie zu etwas Besonderem, sie konnte in wesentlich mehr Rollen schlüpfen als ein Kuschelbär.
Mit ihrer besten Freundin spielte Lotte im Kindergarten oft Vater, Mutter und Kind. Wie gut würde sich Josefine für dieses Spiel eignen. Ohne Probleme würde die Puppe sowohl die Rolle der Mutter als auch des Kindes übernehmen können. Wenn man ihr eine Mütze oder Kappe über ihre langen roten Haare stülpte, war sogar die Rolle des Vaters möglich.
Lotte würde die Puppe frisieren können, ihr Zöpfe binden oder die Haare flechten. Sie könnte ihr neue Kleider anziehen, was bei einem Teddy zwar möglich, aber doch auch etwas lächerlich war, denn schließlich hatte ein Teddy keine langen Haare zum Kämmen und Lotte fand, dass sie mit ihren fünf Jahren einfach zu groß war, um den Bären Brummeli ständig umzuziehen.
Nach dem Singen der Weihnachtslieder durfte das jüngste Kind mit dem Öffnen der Geschenke beginnen, das war in jedem Jahr so. Lotte war das jüngste Kind. Ihr wurde es abwechselnd kalt und heiß, weil sie nervös war. Ganz vorsichtig trat das Mädchen an den Weihnachtsbaum heran, bückte sich und zog langsam die Puppe an einem Arm unter dem Baum hervor. Sie drückte das weiche Stoffpüppchen in ihren Arm, gab ihm einen Kuss auf den roten Mund und sprach: „Josefine sollst du heißen, Josefine ist ein schöner Name, aber vielleicht werde ich dich auch öfter mal Fine nennen, weil das ein bisschen kürzer ist, weißt du.“ Die Puppe war damit gleich einverstanden, Lotte hatte es gespürt, denn es schien ihr, als würde sie Lotte schon wieder zuzwinkern.
Den ganzen Abend, als die Familie an dem großen mit einer weißen Tischdecke gedeckten Esstisch im Wohnzimmer saß und das köstliche und duftende Federvieh verzehrte, als die Familie nach dem Essen die Autorennbahn von Emil aufbaute und ausprobierte und als alle mit Ylvies Holz-Zoo spielten, hielt Lotte ihre neue Freundin fest an sich gedrückt. Sie konnte ihr Glück noch gar nicht fassen. „Siehst du Finchen, das ist mein Bruder Emil. Er hat sich eine Autorennbahn gewünscht und schau, wie er sich freut. Am liebsten spielt er mit Papa, guck, wie die beiden um die Wette fahren. Ich glaube, Papa ist heute auch noch einmal ein kleiner Junge geworden. Hast du bemerkt, wie seine Augen glänzen?“
Lotte lief mit Josefine durchs ganze Haus, um ihr das neue Heim zu zeigen. In einer Niesche in dem geräumigen Flur stand das Körbchen von Boss, dem alten Collirüden. Lotte hielt ihre Puppe mit beiden Händen weit nach vorn.„Boss, sieh mal“, das ist Josefine, meine neue Freundin.“ Der Hund trottete an Lotte heran und schnupperte mit seiner schwarzen feuchten Nase an den roten, wuscheligen Haaren der Puppe. „Sie wird ab heute bei uns wohnen, weißt du. Sei bitte ein bisschen nett zu ihr und belle nicht so laut, damit sie sich bei uns auch wohl fühlt, ja?“, forderte Lotte den Collie auf, der, als er verstanden hatte, sich zurück zu seinem Körbchen schleppte, sich hineinlegte und die Augen schloss.


Am späten Abend, als Lotte schon im Bett lag, machte sie Josefine mit Brummeli bekannt, denn ab heute mussten sie sich zu dritt den Platz im Bett teilen. Lotte legte ihren Bären auf das Kopfkissen rechts neben ihrem Kopf, Josefine nahm sie in den Arm. Dann zog sie die weiche Bettdecke über ihren Kopf, drehte sich auf die rechte Seite, sodass eine kleine Höhle entstand. Es war ein wundervolles Gefühl, sicher und geborgen zu liegen und von Brummeli und Finchen umgeben zu sein. „Stille Nacht, heilige Nacht“, sang Lotte ihren Bettgefährten vor, dann schlief sie tief und fest ein.